The future of Selection: Scientists Craig Venter and Richard Dawkins in Munich (Die Zukunft der Selektion) [1]

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[ Mon. Jan. 21. 2008 ]

Digital oder biologisch? Auf der Münchner Zukunftskonferenz DLD (Digital Life Design) gab es am vergangenen Montag einen Moment, der an die Hölzchen-Übergabe beim Staffellauf erinnern konnte: Nach einer eher zähflüssigen Diskussion über Sinn und Zweck sozialer Plattformen im Internet trat ein gedrungener Mann auf die Bühne, stellte sich als John Brockman vor und kündigte an, dass von jetzt an eine Stunde nur über Biologie gesprochen werden würde.

John Brockman ist nicht irgendein Moderator. Im Spätsommer 2007 hat er in seinem Landhaus in Connecticut das inzwischen legendäre "Life: What a Concept!"-Symposium veranstaltet, bei dem sechs Pioniere der Naturwissenschaften gemeinsam eine ganze neue Wissenschaftsära ausriefen: Nach der Entschlüsselung des menschlichen Genoms würden schon bald eigene Genom-Sequenzen geschrieben werden können. Und damit bräche das biologische Zeitalter an.

Maßgeschneiderte Gene

Auf die Münchner Konferenz hatte Brockman nun mit Craig Venter den wichtigsten Kopf seines damaligen Treffens mitgebracht. Der amerikanische Unternehmer, Molekularbiologe und Erst-Entschlüssler des Genoms ist die personifizierte Zukunft der Biotechnologie. Nicht nur, dass Venter in den letzten Jahren die Zahl der bekannten Gene mehr als verdoppelt hat, bereits vor dem Treffen in Connecticut hatte er ein Patent auf die erste künstliche Lebensform überhaupt angemeldet - sein Mycoplasma laboratorium soll einmal das erste sich durch eigene Zellteilung fortpflanzende Kunst-Chromosom überhaupt werden. Und einmal, das bedeutet in Venters Welt noch im Kalenderjahr 2008.

Brockmans zweiten Gast begeisterten diese Aussichten. Der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins, zuletzt vor allem mit seinen Büchern "Das egoistische Gen" und "Der Gotteswahn" bekannt geworden, beschwor, wie nahtlos sich die Möglichkeiten einer "synthetischen Biologie" in Darwins Evolutionslehre einpassen ließen. Für Dawkins ist von menschlicher Fortpflanzung bis zur Laborschaffung neuer Mikroben alles ein großer Testlauf der Natur - zwar unkorrigierbar, vor allem aber unaufhaltbar. Im rasanten Vorwärts der Evolution hat der Mensch ohnehin keine Wahl und braucht deshalb auch kein genbiologisches Experiment zu scheuen.

Craig Venter, dem das Vergnügen an den rasanten Fortschritten seines Instituts deutlich anzusehen war, argumentierte da vorsichtiger. Im Wissen um die Vorbehalte der Europäer gegen Genmanipulationen betonte er vor allem die dringende Notwendigkeit forcierter Eingriffe in den Bauplan der Natur: Die menschlichen Umweltzerstörungen hätten derart irreversible Schäden angerichtet, dass nur noch die Flucht nach vorn helfe. Seinen Kunst-Chromosomen will er eines Tages maßgeschneiderte Gene aufsetzen, die beispielsweise den Kohlendioxid-Überschuss einfach aus der Luft saugen oder Licht in Wasserstoff umwandeln können.

Venter focht seine Sache gut, prangerte die restriktiven Gen-Gesetzgebungen vieler Nationen an und beschrieb die Zukunft detailliert als Selektionsvorgang, der wenigstens nicht ganz so chaotisch wie bisher ablaufen müsse. Zur Einführung hatte Conferencier Brockman noch im Scherz postuliert, dass sich mit Venters Forschungen jede Hauskatze schon bald in einen Haushund verwandelt werden könne - Venter distanzierte sich scharf von Manipulationen an Säugetieren und sprach ausschließlich von Eingriffen im Molekularbereich.

Verständlicherweise aber wollte er sich nicht einmal auf dieser Ebene zum Herrn über eigene Kreaturen abstempeln lassen. Angesichts unzähliger sich ununterbrochen transformierender Lebewesen sei jeder Schöpfergedanke bloße Mystifikation. Lachend verbeugte er sich vor Dawkins religionskritischer Polemik "Der Gotteswahn": Wo es keinen Gott gebe, könne man auch nicht Gott spielen.

FLORIAN KESSLER

English Language Translation [3]

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